Der Euro ist plötzlich eine Risikowährung

Die Kursgewinne des US-Dollar sind die größten seit acht Jahren. Der Euro ist eine Weichwährung mit Abwertungscharakter. Entsprechend hoch sind die Chancen, dass dem EUR/USD-Kurs die Null als erste Kommastelle dauerhaft abhanden kommt. Diesen Schritt sollte der Dollar aber möglichst schnell machen. Eine Tändelei kann er sich nicht leisten.

Plötzlich ist der Euro die riskantere Währung: Am Devisenoptionsmarkt sind Put-Optionen, mit denen sich beispielsweise deutsche Importeure gegen einen stärkeren Dollar absichern, teurer als Call-Optionen. So klar vorne in der Gunst der Devisenhändler war der Dollar das letzte Mal vor sieben Jahren. Es unterstreicht einen dramatischen Stimmungswechsel zu Gunsten des Dollar. Er ist ein Indiz dafür, dass die Aufwertung des Dollar weitergehen wird.

0,95 ist für den EUR/USD-Kurs in Reichweite, nachdem er zum ersten Mal seit 20 Jahren unter die Parität absackte. Aus charttechnischer Sicht gibt es für den Euro nichts zu beschönigen. Der langfristige Abwärtstrend des Euro, der im Juni 2008 bei einem Wechselkurs von 1,60 Dollar begann, dominiert. Zudem wären noch tiefere Kurse kein Neuland. Im Oktober 2002 kostete der Euro lediglich 0,8250 Dollar.

Liniendiagramm Absturz EUR/USD-Kurs Entwicklung Parität

Deutsche Bank sieht Euro-Comeback

Eine Fortsetzung der Stärkephase des Dollar kommt der Deutschen Bank zufolge nicht in Frage. Gemäß ihrer aktuellen Dollarkurs Prognose wird der Euro bis November 2022 auf 1,10 Dollar steigen. Voraussetzung für die Erholung des Euro seien Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Deutsche Bank fordert in diesem Zusammenhang, dass "die EZB die Zinswende einleitet."

Die Devisenexperten der Bank of America schlagen in die gleiche Kerbe: In der langen Sicht liege der gleichgewichtige Wechselkurs zwischen dem Euro und Dollar bei 1,20 bis 1,30, sagen sie. Im zweiten Halbjahr werde der Euro die Kehrtwende einleiten und auf 1,05 Dollar steigen. 2023 erwartet die Bank of Amerika ein Steigflug auf 1,15 Dollar. Für 2024 rechnet sie mit 1,20 Dollar.

Die Akteure am Devisenoptionsmarkt, die momentan ihre Fähnchen für den Dollar in den Wind hängen, werden nicht zögern in den Euro zu gehen, sollten die Probleme der USA zum Vorschein kommen. Amerikas Staatsverschuldung ist mit 150 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) etwa 50 Prozent höher als die des Euroraums. Das Handelsdefizits ist auf eine Billion Dollar ausgeufert (5% des BIP).

Die Zeit für eine Erholung des Euro ist aber noch nicht gekommen. Einstweilen dominieren die Dollar-Käufer. Damit das so bleibt, muss der Wechselkurs tiefer unter die Parität fallen. Kursziel bis zum Ende des dritten Quartals ist 0,95. Anschließend muss der Dollar den Euro dort unten halten.

Umgekehrt würde bei folgender Kursentwicklung ein Silberstreif am Horizont für den Euro steigen: Es geht in einer schnellen Bewegung über 1,0350. Die, die den Dollar so aggressiv gekauft haben, werfen nun das Handtuch. Gelingt diese Befestigung, wäre Platz für einen weiteren Anstieg auf 1,06.