Deutschland hat sich am Dollarkurs verspekuliert

Die Möglichkeit eines erneuten Rückfalls des Euro gegenüber dem amerikanischen Dollar lässt sich nicht von der Hand weisen. Das weiß auch die Europäische Zentralbank (EZB). Mit der größten Leitzinserhöhung seit ihrem Bestehen versucht sie den Wert des Euro wieder über 1 US-Dollar zu bringen. Die Amerikaner sind schneller, und so geht der Schuss nach hinten los.

Akteure am Devisenmarkt schrecken bisher davor zurück, sich stärker im Euro zu engagieren, nachdem dieser von 0,9540 auf 0,9850 Dollar nach oben springt. Dafür gibt es in der kurzen Sicht keinen Grund, zeigt ein Blick auf die Geldpolitik. Die EZB hat auf einen Schlag die Zinsen um 0,75% angehoben. Sie signalisiert: Das war erst der Anfang. Weitere, kräftige Zinserhöhungen werden folgen.

Deutschland und der Euro

Der Dollarkurs gibt das Tempo vor. Ursache ist die US-Notenbank (Fed). Sie fing bereits Anfang 2022 an, ihren Leitzins heraufzusetzen. Für den Euro gab es eine kalte Dusche. Seit Mitte 2021 hat er sich 22 Prozent abgeschwächt. Den Unternehmen ging das viel zu schnell. Der Einkauf von Rohstoffen und Vormaterialen, die auf dem Weltmarkt in US-Währung bezahlt werden, hat sich wechselkursbedingt deutlich verteuert.

Weil die Abschwächung des Euro so rapide verlief, ist die deutsche Wirtschaft durcheinander. Bundesbankpräsident Joachim Nagel bemüht sich um Schadensbegrenzung. Neben weiteren kräftigen Leitzinserhöhungen spricht er sich für eine Verkleinerung der EZB-Bilanz aus. Diese gilt aufgrund des massiven Ankaufs von Staatspapieren als aufgebläht. Eine Verkleinerung würde laut Devisenexperten den Euro-Dollar-Kurs merklich heben.

Wechselkursdiagramm sinkender Euro-Dollar-Kurs

Die Zukunft des Euro wird sich bis Ende 2022 entscheiden. Verkleinert der Euro seinen Zinsnachteil auf den US-Dollar, wird der Wechselkurs deutlich über den Gleichstand (Parität) steigen. Denn die USA haben noch höhere Schulden als der Euroraum. Hinzu kommt ein ausuferndes US-Handelsdefizit. Bei der Inflation liegen beide mit jährlichen Teuerungsraten um die 9% gleichauf.

Aus der Perspektive Deutschlands ist es fatal, dass die EZB immer noch so viele Staatspapiere besitzt. Die Notenbank hat sich von den Politikern der hochverschuldeten Euro-Südstaaten, die vorgaben, im Gegenzug strukturelle Reformen durchzuführen, hinters Licht führen lassen. Die sind nämlich der festen Überzeugung, dass eine "richtige Notenbank" permanent Geld drucken muss und den Regierungen zur Verfügung zu stellen hat.

Ohne eine unabhängige EZB, die sich zu 100% um stabile Preise kümmert, sind die Chancen des Euro gegenüber dem US-Dollar merklich zu steigen, gering. Dem Euro kann daher nur eine Finanzkrise in den USA aus der Patsche helfen. Sollte wegen den drastischen Zinserhöhungen eine Unternehmenspleitewelle in den USA ins Rollen kommen, würde das den Dollar belasten.

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